

Stress am Arbeitsplatz positiv beeinflussen
- von Redaktionsteam
- 10. Juni 2024
- · Lesedauer: 5 Minuten
Dauerhafter Arbeitsstress kann die psychische und physische Gesundheit beeinflussen. Viele Studien belegen, dass in der heutigen VUKA-Welt (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität) Stress zum „Grundtonus“ des Erlebens und Verhaltens gehört. Stress kann somit kaum mehr vermieden, auch nicht so leicht individuell „weg-bewältigt“ werden. Dies gilt sowohl für den Arbeits- wie auch für den Privat-Bereich. Entscheidend ist insbesondere für Führungskräfte folglich, dass Unternehmen organisatorische, soziale und personale Ressourcen schaffen und die Mitarbeitenden bei deren Nutzung unterstützen.
Der Arbeits- und Organisationspsychologe Prof. Dr. Heinz Schüpbach*, der an mehreren Hochschulen in Deutschland und der Schweiz unterrichtet, versucht deshalb, das grundsätzliche Verständnis für „Arbeit“ aus psychologischen Gesichtspunkten zu stärken: „Aus der Sicht der Arbeitenden ist entscheidend, dass ein ausgewogenes Verhältnis besteht zwischen „sich verausgaben“ und „für sich vereinnahmen können“ (sog. Effort-Reward-Balance) bzw. „sich erholen können (sog. Effort-Recovery-Balance). Ist dieses Verhältnis gestört, droht zunehmende Erschöpfung, längerfristig sogar Burn-out.“
Stress am Arbeitsplatz kann Ihre Leistungsfähigkeit einschränken. Folgende Symptome sollten Sie ernst nehmen, denn sie deuten darauf hin, dass „sich verausgaben“ überhandnimmt:
ständige Müdigkeit und Erschöpfung
schlechtes Ein- oder Durchschlafen
Konzentrationsschwäche
häufige Fehler
Gereiztheit oder Aggressivität
Rücken- und Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden
Angstzustände
Wenn Sie eins oder mehrere dieser Anzeichen bei sich feststellen, ist es ratsam, Stress auf der Arbeit zu reduzieren. In diesem Beitrag finden Sie Tipps, wie Sie das am besten angehen.
Arbeitsstress ist vielfältig und komplex. Denn: Was genau uns stresst und wie schnell wir uns gestresst fühlen, ist individuell verschieden. Die Forschungsergebnisse dazu bringen es laut Prof. Schüpbach umso klarer auf den Punkt: „Psychologisch bedeutet der zentrale Aspekt von Stress am Arbeitsplatz Kontrollverlust. Ich bin nicht mehr das Subjekt meiner Arbeit und bringe diese gemäß meinen Aufgaben voran, sondern die Arbeit sitzt mir im Nacken und türmt sich schier unüberwindbar vor mir auf. Es ist zu viel auf einmal, es geht zu schnell, ich verliere den Überblick.“
Deshalb ist es umso wichtiger, dass Sie Ihren Stresslevel aktiv managen. Dazu sollten Sie herausfinden, welche Stressfaktoren Ihre körperliche oder mentale Gesundheit belasten. Folgende Faktoren können zum Beispiel für Stress am Arbeitsplatz sorgen:
zu viele Aufgaben in zu kurzer Zeit oder enormer Zeitdruck
ständige Erreichbarkeit
(zu) hohe Anforderungen
fehlende Unterstützung oder Wertschätzung
Konflikte oder Mobbing
Unsicherheit über die Zukunft des Unternehmens oder des eigenen Arbeitsplatzes
unklare Aufgabenstellung oder Kommunikation
finanzielle Sorgen
gesundheitliche Probleme
In seinem Kontaktstudium zur Arbeits- und Organisationspsychologie hat Prof. Schüpbach das Ziel, bei Führungskräften ein Verständnis für Arbeit aus Perspektive der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu vermitteln. Dabei hat sich in der Forschung gezeigt, dass Intuition und Alltagsverständnis für Führungskräfte oft nicht ausreichen, um die Arbeitszufriedenheit in der Belegschaft richtig einzuordnen.
Laut Prof. Schüpbach unterläuft vielen Führungskräften der gleiche Denkfehler: „Intuitiv nehmen sie an, dass die Arbeitszufriedenheit in Befragungen möglichst hoch sein sollte. Auf einer Skala von 1 bis 10 mindestens bei 7, besser bei 8 oder 9. Daraus schließen sie gern, dass die Arbeit gut gestaltet ist, gut zu den Menschen passt. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass die Zufriedenheit fast immer relativ hoch ausfällt – nahezu unabhängig davon, wie die Arbeitssituation konkret aussieht.“ Daraus lassen sich zwei Konzepte für die Arbeitsplatzzufriedenheit ableiten.
Konzept 1: Zufriedenheit fördern und gleichzeitig Unzufriedenheit vermeiden
Die Forschung zeigt: Nicht die Gesamtzufriedenheit der Mitarbeitenden ist entscheidend, sondern die Unterscheidung zwischen „Zufriedenmachern“ – sogenannten intrinsischen Aspekten der Arbeit, wie Sinn und Bedeutung, und den „Unzufriedenmachern“ – auch extrinsische Aspekte genannt. Hierzu gehören z.B. bürokratische Regelungen, nörgelnde Vorgesetzte, Kolleginnen oder Kollegen oder auch eine schlechte betriebliche Ausstattung. Kurzum: Es kommt darauf an, beide Pole immer im Blick zu behalten, um die Zufriedenheit zu fördern und Unzufriedenheit zu vermeiden.
Konzept 2: Aktiv an Verbesserungen mitzuwirken, macht zufriedener und leistungsfähiger
„Ich gebe mich nicht mit allem zufrieden, aber ich beteilige mich an Verbesserungen.“ Dies ist eine typische Aussage, die der sogenannten konstruktiven Unzufriedenheit zugeordnet wird. Diese ist psychologisch gesünder als die resignative Zufriedenheit. Die sich mit folgender Aussage auf den Punkt bringen lässt: „Ich gebe mich damit zufrieden, wie es ist – es könnte schlimmer sein.“ Dabei spricht man auch oft von „innerlich Gekündigten“. Und die bringen zudem schlechtere Leistungen als die konstruktiv Unzufriedenen. Prof. Schüpbach kommt daher zum Fazit: „Wir sollten eine möglichst „gute“, nicht möglichst hohe Zufriedenheit anstreben.“
Gute Mitarbeitendenführung ist das A und O, wie Prof. Schüpbach deutlich macht. Denn sie beeinflusst maßgeblich, ob Sie sich im Job wohl oder gestresst fühlen. Je besser eine Führungskraft ihre Rolle versteht und die aufgeführten Konzepte umsetzt, desto besser sind die Arbeitsbedingungen. Heißt für Sie: beste Voraussetzungen für ein niedriges Stresslevel. Mit folgenden Faktoren kann gute Führungskultur optimale Voraussetzungen für ein positives Arbeitsklima schaffen:
Motivation und Engagement: die richtigen Anreize schaffen, damit jedes Teammitglied seine beste Leistung erbringen kann und sich wertgeschätzt sowie unterstützt fühlt
Konfliktmanagement: Konflikte zwischen Teammitgliedern erkennen und sicherstellen, dass sie fair und effektiv gelöst werden
Kommunikation: für eine offene Kommunikationskultur sorgen, in der relevante Informationen rechtzeitig und klar kommuniziert werden und alle die Möglichkeit haben, ihre Gedanken und Ideen auszutauschen
Entwicklung von Teamkultur und -werten: eine positive Teamkultur fördern, in der die Teammitglieder sich gegenseitig respektieren sowie gemeinsame Ziele und Werte teilen
Gesundheit und Sicherheit: die Gesundheit der Teammitglieder im Blick haben und bei Bedarf Zugang zu Gesundheitsmaßnahmen oder anderweitige Unterstützung anbieten
Feedback und Coaching: regelmäßig Feedback geben und Weiterentwicklung sowie Wachstum ermöglichen — zum Beispiel durch Schulungen, Weiterbildungen oder andere Entwicklungsmaßnahmen
Wenn Sie sich dauerhaft durch Ihre Arbeit gestresst fühlen, will Ihr Körper Ihnen damit signalisieren: So sollte es nicht weitergehen. Sehen Sie dieses Signal als Chance für Veränderung. Ehrliche Fragen bilden dabei den ersten Schritt zu guten Antworten und Lösungsansätzen: Hilft Ihnen ein verändertes Umfeld dabei, gewisse Strukturen und Abläufe aufzubrechen? Können Sie gezielte Soft Skills im Rahmen einer Schulung erwerben oder stärken, um zukünftigen Herausforderungen widerstandsfähiger begegnen zu können? Können Sie aktiv etwas an Ihrer Situation ändern? Oder können Sie möglicherweise durch eine Weiterbildung neue Impulse oder Blickwinkel erlangen?
Versuchen Sie, Ihre Haltung und Ihren Blickwinkel zu beeinflussen und Ihren Fokus zu verschieben – weg vom negativen Ist-Zustand, hin zu einem positiv behafteten Szenario. Ein konkretes Ziel wie zum Beispiel eine Weiterbildungsmaßnahme kann dabei helfen. Unsere fünf Tipps helfen Ihnen dabei, die Führung zu übernehmen und Stress aktiv zu managen:
1. Achten Sie auf Ihre Work-Life-Balance.
Finden Sie das richtige Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben. Soweit Ihr Job es zulässt: Planen Sie feste Arbeitszeiten und bewusste Zeit für Familie, Freunde und Hobbys. Wenn Sie viel oder ausschließlich von zu Hause arbeiten, tun Sie dies möglichst nicht im Wohn- oder Schlafzimmer, sondern sorgen Sie für eine räumliche Trennung der beiden Lebensbereiche.
2. Kommunizieren Sie offen und frühzeitig.
Sprechen Sie möglichst frühzeitig mit Ihren Vorgesetzten über Ihr Stresslevel. Nur gemeinsam können Sie Lösungen finden, um Ihre Arbeitsbelastung zu reduzieren. Auch wenn Sie Konflikte mit Kolleginnen und Kollegen haben oder gemobbt werden: Suchen Sie immer das klärende Gespräch.
3. Nehmen Sie sich Zeit, Ihre Arbeitszeit realistisch zu planen.
Planen Sie Ihre Arbeitszeit, indem Sie sich realistische Ziele und Prioritäten setzen. Lernen Sie „nein“ zu sagen, wenn Sie für weitere Aufgaben keine Kapazitäten haben. Sollten Sie zu viele wichtige To-dos haben, klären Sie im Zweifel mit Ihren Vorgesetzten, was zuerst erledigt werden sollte.
4. Planen Sie regelmäßige Pausen ein.
Kurze Pausen helfen, um den Kopf frei zu kriegen und neue Energie zu tanken: Drehen Sie eine Runde um den Block, trinken Sie mit anderen Mitarbeitenden einen Kaffee oder Tee oder praktizieren Sie Entspannungstechniken wie Atemübungen oder progressive Muskelentspannung. Probieren Sie ruhig verschiedene Dinge aus, um das Richtige für Sie und Ihren Arbeitsalltag zu finden.
5. Pflegen Sie eine gesunde Lebensweise.
Ernähren Sie sich möglichst gesund, bewegen Sie sich regelmäßig im Alltag und achten Sie auf erholsamen und genügend Schlaf. Denn wer körperlich gesund und fit ist, kann Stress besser aushalten und meist überlegter auf Herausforderungen oder Konflikte reagieren. Mit guter Selbstfürsorge legen Sie daher die Basis dafür, Stress am Arbeitsplatz gut zu bewältigen.
Wenn Sie sich dauerhaft durch Ihre Arbeit gestresst fühlen, will Ihr Körper Ihnen damit signalisieren: So sollte es nicht weitergehen. Sehen Sie dieses Signal doch positiv — und zwarals Chance für Veränderung. Hilft Ihnen ein verändertes Umfeld dabei, gewisse Strukturen und Abläufe aufzubrechen? Können Sie gezielte Soft Skills im Rahmen einer Schulung erwerben oder stärken, um zukünftigen Herausforderungen widerstandsfähiger begegnen zu können? Oder können Sie durch eine Weiterbildung neue Impulse oder Blickwinkel erlangen oder persönlich und fachlich weiter wachsen?
Versuchen Sie, Ihre Haltung und Ihren Blickwinkel zu beeinflussen und Ihren Fokus zu verschieben — weg vom (negativen) IST-Zustand hin zu einem positiv behafteten Szenario. Ein konkretes Ziel wie zum Beispiel eine Weiterbildungsmaßnahme kann dabei helfen.
Stress am Arbeitsplatz betrifft viele Berufstätige in Deutschland. Die Ursachen sind vielfältig und hängen von verschiedenen Faktoren ab. Wichtig ist aber: Wir müssen dauerhaften Arbeitsstress nicht hinnehmen, sondern können ihn aktiv beeinflussen. Die Reduzierung von zu hoher Arbeitsbelastung basiert dabei maßgeblich auf vier Säulen:
Bewusstsein: Erkunden Sie, ob und wenn ja, warum Sie gestresst sind. Arbeitsstress und Burn-out verursachen bestimmte Symptome, die Sie ernst nehmen und aktiv angehen sollten.
Selbstfürsorge: Setzen Sie Ihr eigenes Wohlbefinden an erste Stelle. Denn je besser es Ihnen mental und körperlich geht, desto eher können Sie mit herausfordernden Situationen umgehen.
Stressmanagement: Versuchen Sie mit unseren Tipps, Stress am Arbeitsplatz schrittweise abzubauen. Was theoretisch einfach klingt, ist es in der Praxis natürlich längst nicht immer. Vielleicht können Sie gezielte Soft Skills verbessern, um Ihre Bedürfnisse und Vorstellungen, vor allem in Konfliktsituationen, besser vertreten zu können?
Führungskultur: Suchen Sie das Gespräch mit Vorgesetzten, wenn Sie den Eindruck haben, dass der eigene Stress durch die Führungskultur verursacht wird. Auch hierbei helfen ausgeprägte Soft Skills, vor allem gute Kommunikations- und Problemlösungsfähigkeiten.
Versuchen Sie, die negative Stresssituation als Chance zu sehen und für eine Veränderung zu nutzen. Manchmal gelingt diese Veränderung im aktuellen Umfeld. Manchmal braucht es einen größeren Schritt, um die richtigen Hebel in Bewegung zu setzen. In jedem Fall aber kann alleine die Entscheidung dazu, etwas aktiv zu verändern und ein neues Ziel ins Auge zu fassen, das eigene Wohlbefinden und Stressgefühl beeinflussen.
Und nehmen Sie sich die Worte von Prof. Schüpbach zu Herzen: „Arbeit wird nicht über deren Köpfe hinweg für die Mitarbeitenden, sondern gemeinsam mit den Mitarbeitenden gestaltet. Dies setzt ein gutes Verständnis der Führungskräfte für deren Perspektive auf die Arbeit – natürlich in Vereinbarung mit den eigenen Vorstellungen und Verantwortlichkeiten – voraus.“
*Heinz Schüpbach war viele Jahre Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg i.Br. Ab 2009 war er als Direktor der Hochschule für Angewandte Psychologie der Fachhochschule Nordwestschweiz tätig. Seit 2020 ist er pensioniert, lehrt aber weiterhin als Honorarprofessor in der Lehre und als Dozent für Arbeitspsychologie, unter anderem im CAS Health Care Management.